Bericht: "Online-Treffen mit Studenten aus Jekaterinburg"

29.5.2021 Autor: Antonia Wensky

Am 17. Mai 2021 fand das digitale Treffen der Studierenden aus Germersheim und Jekaterinburg über die Plattform Zoom statt. Die Tagung brachte Studenten aus Jekaterinburg und Germersheim zusammen, um sich über Traditionen in ihrer Heimat auszutauschen und gegenseitig ihre Kulturen näher zu bringen.

 

 

 

 

 

 

Einige Teilnehmer hielten kurze Präsentationen, in denen sie Bilder oder Videos zeigten, die ihre Erzählungen noch lebendiger und bildhafter machten. Herzstück des Treffens war der Austausch der Studierenden über verschiedene Frühlingsbräuche, aber auch allgemeine Unterschiede zwischen den Kulturen, wie zum Beispiel in Bezug auf Hochzeiten, Kindergeburtstage und noch vieles mehr.

Die ersten Vorträge handelten von den unterschiedlichen Ostertraditionen. Zwei Studentinnen aus Jekaterinburg erzählten zunächst über die üblichen Traditionen in ihrem Land.

 

 

 

 

 

 

In ihrer Heimat wird Ostern als einer der wichtigsten religiösen Feiertage ausgiebig am Ostersonntag gefeiert. An diesem Tag, oder besser gesagt bei der nächtlichen Prozession, besuchen selbst diejenigen die Kirchen, die sonst kaum dort auftauchen oder sich als Atheisten bezeichnen würden. Während des festlichen Gottesdienstes tauschen der Priester und die Gläubigen folgenden Gruß aus: „Christus ist auferstanden!“ – „Er ist wahrhaftig auferstanden!“. Während hier in Deutschland vor dem Osterfest der Gründonnerstag und der Karfreitag gefeiert werden, sind die Tage vor dem Ostersonntag normale Arbeitstage in Russland.

Nach der strengen, siebenwöchigen Fastenzeit steht auf dem Ostertisch stets eine üppige Vielfalt an typischen Leckereien. In Deutschland sind kleine Schokoladenfiguren oder ein leichter Kuchen in Form eines Lammes beliebt. Auch bunt bemalte Ostereier, die zunächst vom allseits bekannten Osterhasen versteckt, und später von den Kindern gefunden werden, sind Tradition. In Russland wird traditionell das Osterbrot, genannt Kulitsch, gebacken.

Allerdings haben die Osterfeierlichkeiten in Russland auch eine traurige Seite, denn nicht nur die Lebenden werden in das Fest mit eingebunden, auch mit den Verstorbenen wird geteilt. Am Ostersonntag versammeln sich viele auf den Friedhöfen, um sich gemeinsam an verstorbene Angehörige zu erinnern. Sie legen Eier, Osterbrote oder auch ein Gläschen Wodka an den Gräbern ihrer Verwandten nieder. Dieser Brauch stammt tatsächlich aus der Zeit der Sowjetunion, in der es der Bevölkerung verboten war, in die Kirche zu gehen. Der Wunsch der Gläubigen, dieses bedeutsame Fest dennoch gemeinsam mit ihren Ahnen zu erleben, brachte sie dazu, einen Teil des Gottesdienstes auf den Friedhöfen abzuhalten. In Deutschland ist es hingegen Tradition, an Allerheiligen, Totensonntag und Pfingsten der Toten zu gedenken.

Doch unabhängig davon, auf welche Art und Weise Christen in unterschiedlichen Ländern das Osterfest feiern, verbindet Orthodoxe, Katholiken und Protestanten in erster Linie der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi und damit die Hoffnung und Freude, die ihnen ihr Glaube beschert.

Im Anschluss hörten die Teilnehmer gespannt den Präsentationen über den Ablauf typischer Treffen mit Freunden zu. Überaschenderweise stellten wir fest, dass es zwischen Deutschland und Russland in diesem Aspekt einige Parallelen gibt. Ob im Restaurant, Kino, Park oder einfach zuhause – in beiden Kulturen tauschen Freunde Neuigkeiten, Klatsch und Tratsch aus, kochen zusammen und genießen die Zeit, in der sie beisammen sein können.

Insbesondere unterhielten sich die Studenten über die uralte, deutsche „Kaffee-und-Kuchen-Tradition. Es ist sogar mehr als nur eine Tradition, es ist Kultur. Der klassische Tag für das typische „Kaffeekränzchen“ ist der Sonntag. An diesem Tag trifft sich die Familie am Kaffeetisch oder Freunde werden zu einem gemütlichen Nachmittag eingeladen. Dabei wird, wie der Name bereits verrät, Kaffee samt einer süßen Nachspeise serviert.

Natürlich muss hier angemerkt werden, dass, aufgrund der aktuellen Pandemie, größere Unterschiede bezüglich des sozialen Lebens bestehen. In Deutschland herrscht seit November 2020 ein strenger Lockdown, während in Russland bereits größtenteils wieder Alltag eingekehrt ist. Nichtsdestotrotz finden auch Menschen in Deutschland stets Alternativen, sich weiterhin auszutauschen oder an besonderen Ereignissen ihrer Liebsten teilzunehmen.

Ein weiterer Feiertag, der in Russland groß gefeiert wird, in Deutschland wiederum kaum Bedeutung hat, ist der Weltfrauentag. Am 8. März werden nämlich in mehreren Ländern, wie Russland und Italien, die Frauen und Mädchen gefeiert, beschenkt und mit Komplimenten überschüttet. Besonders beliebte Geschenke sind Blumen jeglicher Art und Farbe. Übrigens darf in Russland (und auch in vielen anderen osteuropäischen Kulturen) keine gerade Anzahl an Blumen verschenkt werden. Dies ist den Verstorbenen vorbehalten, und ein Blumenstrauß mit zwei, vier, sechs… Blüten sollte keiner lebenden Person überreicht werden.

Der Frauentag in Russland scheint sich nicht nur um die eigene Mutter, Freundin oder Frau zu drehen. An diesem Tag werden alle Frauen geehrt. Also auch Nichten, Tanten, Arbeitskolleginnen oder Mitschülerinnen. Daraus ergab sich für die Studentinnen aus Germersheim eine entscheidende Frage: Sollten sich Frauen auch in Deutschland einmal im Jahr zurücklehnen dürfen und verwöhnen lassen?

Uns fiel diese Entscheidung natürlich nicht schwer: Wir hätten absolut nichts dagegen!

Im Anschluss folgte ein interessanter Vortrag von Frau Dr. Pavlova über deutsche Traditionen, die auch heutzutage noch auf dem Land gepflegt werden.  Dazu gehört beispielsweise das ausgiebige Feiern eines runden Geburtstages, das Anbringen eines hölzernen Storches am Haus zur Verkündung der Ankunft eines Neugeborenen, die Kirmes oder das alljährliche Mandelblütenfest in der Pfalz.

Eine weitere Tradition sorgte für reichlich Gesprächsstoff. Die Faschingszeit, insbesondere der Faschingsumzug weckte das Interesse der Studenten aus Jekaterinburg. Fasching, auch Karneval oder Fastnacht genannt, bezeichnet die sechs Tage von Donnerstag (Weiberfastnacht) bis Dienstag, in der man ausgelassen mit einer Parade, Gardetänzen, vielen regionalen Köstlichkeiten und Alkohol feiert. Der närrische Karneval ist nämlich die Zeit der Ausgelassenheit und die darauffolgende Fastenzeit sozusagen das Gegenteil davon. Jung und Alt wirken mit viel Begeisterung für das Spektakel bei den Vorbereitungen auf dieses Fest mit. In den bekanntesten Metropolen für den Karneval Köln, Düsseldorf und Mainz wird das ganze Jahr über wird trainiert und viel Geld in Kostüme und Masken investiert.

Natürlich spielen auch regionale Unterschiede eine große Rolle, allerdings reichte die Zeit nicht aus, sich intensiv mit dem Fastnachtsbrauch auseinanderzusetzen. Da sich zumindest ein Großteil der Studenten mit viel Leidenschaft für den Karneval einsetzt und einiges zu erzählen hat, würde ein weiteres Treffen beiden Seiten sicher viel Freude bereiten.

Eine Präsentation über den Tanz in den Mai, auch Walpurgisnacht genannt, fesselte sogar die deutschen Studenten, die zuvor kaum darüber Bescheid wussten.  Diese eher außergewöhnliche Tradition findet am Vorabend des 1.Mai statt. Gefeiert wird allerdings nicht nur der 1. Mai, sondern allgemein der Übergang vom Frühjahr in den Sommer. Am letzten Apriltag wird ein Feuer entfacht, oftmals werden auch Hexen aus Stroh oder Holz verbrannt, um böse Geister zu vertreiben und zuversichtlich in den Mai zu starten. Der Winter ist vorbei und der Sommer soll kommen - das wird mit Tanz, Getränken und guter Laune meist an der frischen Luft gefeiert. Gelegentlich verkleiden sich sogar die Besucher und führen Hexentänze auf. Auch der Brauch als verliebtes Pärchen über das heruntergebrannte Maifeuer zu springen, soll dem jungen Paar Glück bescheren.

Zum Abschluss wurde ein Vortrag über die deutschen Hochzeitsbräuche gehalten, insbesondere den traditionellen Polterabend, der so nicht in Russland existiert. Gemäß der Volksweisheit „Scherben bringen Glück“ geht es beim Poltern darum, böse Geister und Dämonen zu vertreiben, die einer glücklichen Ehe im Wege stehen könnten. Diese Tradition kam den russischen Studenten eher fremd vor. Dafür berichteten sie von riesigen Hochzeitsfeiern, die meist von einem Animateur geleitet werden und sehr kostspielig ausfallen können.

Letztendlich steht jedoch in beiden Kulturen das festliche Zusammenkommen im Vordergrund und wird mit viel Tanz, Trinken und Essen assoziiert.

Und auch das Zusammenkommen der Studenten hat sich als eine großartige Idee herausgestellt.

Das Treffen war geprägt von tollen Vorträgen und neuen Eindrücken, die alle Beteiligten dazu einluden, ihre eigene Kultur zu präsentieren, aber diese auch im Vergleich zu anderen Bräuchen und Traditionen zu hinterfragen. Insgesamt hat das Treffen viel Spaß gemacht und wir bedanken uns herzlich für die Möglichkeit, sich international unter Studenten vernetzen und austauschen zu dürfen.